Fürwahr, er trug unsre Krankheit und lud auf sich unsre Schmerzen. Er ist um unsrer Missetat willen verwundet und um unsrer Sünde willen zerschlagen. Die Strafe liegt auf ihm, auf dass wir Frieden hätten, und durch seine Wunden sind wir geheilt.
Jesaja 53,4a.5
Liebe Gemeindeglieder,
liebe Leserinnen und Leser,
in der kommenden Passionszeit von Aschermittwoch bis Karsamstag schauen wir wieder intensiv auf das Kreuz Jesu. In jeder Kirche ist die Szene seiner Kreuzigung mit einem Kruzifix festgehalten. Und im Glaubensbekenntnis
bekennen wir in jedem Gottesdienst sein Leiden und Sterben zu unserem Heil: „Gelitten unter Pontius Pilatus, gekreuzigt, gestorben und begraben“.
Am Kruzifix sehen wir einen, der sich hat schlagen und martern, sein Haupt mit Dornen durchstechen und schließlich seine Hände und Füße mit Eisennägeln durchbohren lassen!
Ein gebrochener Mensch. Am Ende mit gebrochenen Beinen und einer Speerwunde an der Seite.
Für diesen gebrochenen Menschen steht der zerbrochene Krug. Ein Passionsbild. Und zugleich auch ein Osterbild! Denn wenn man genau hinschaut, sind die Brüche und Risse noch deutlich zu sehen, aber sie sind geheilt und mit Goldstaub überzogen. Sie bekommen durch die alte japanische Kunst des Kintsugi einen ganz neuen Wert. Die Brüche und Risse werden nicht übermalt und kaschiert, sie werden besonders gekennzeichnet, hervorgehoben und veredelt.
So geschieht es auch am Ostermorgen, als Jesus den Jüngern wieder lebendig, aber gezeichnet von seinen Wunden begegnet. Und eine Woche darauf auch dem Thomas, der Jesu Wunden zum Beweis sogar berühren möchte. Ob er es dann wirklich getan hat? Oder doch mit ehrfurchtsvollem Abstand zögerte? Ich stelle mir vor, wie Thomas in diesem Moment beginnt, das alte Jesaja-Wort zu verstehen: „und durch seine Wunden sind wir geheilt.“
Jesu Wunden bleiben sichtbar. Sie zeigen uns aber immer auch, dass vieles im Leben von uns Menschen in die Brüche geht, dass ich selbst nicht makellos bin, dass ich gezeichnet bin von Schuld und Sünde. Und in der in der Stunde des Todes wird alles einmal ulitimativ zu Bruch gehen.
Gott sei Dank ist das nicht das Ende. „Christi Blut und Gerechtigkeit, das ist mein Schmuck und Ehrenkleid …“, so heißt es tiefgründig in einem Passionslied (ELKG2 254). Jesu Blut heilt unsere Wunden, macht wieder ganz, was zu Bruch geht, legt sich wie Goldstaub beim Kintsugi auf die Bruchlinien. Die sind damit nicht einfach weg, sie sind und bleiben immer noch da, sie gehören zu unserem So-Sein. Wir sind davon gezeichnet, aber gleichzeitig veredelt, sodass wir mit ihnen leben können und in Christus einst zu neuem Leben erweckt werden, um ganz veredelt in der Ewigkeit bei Gott sein zu dürfen.
Diese göttliche Kunst bedenken wir in der kommenden Passionszeit wieder miteinander mit dem Blick auf das Kreuz und feiern sie dann am Ostermorgen im goldenen Glanz der aufgehenden Sonne.
Mit einer herzlichen Einladung dazu verbleibe ich
Ihr/Euer
Pastor Michael Otto